Gewindeformen: Spanlos, sauber, zuverlässig
Einleitung: Warum spanlos Gewinde herstellen?
Wer Innengewinde herstellt, kennt das Grundproblem: Späne. Sie müssen zuverlässig abgeführt werden, sie können hängen bleiben, sie blockieren Werkzeuge und sorgen genau dann für Ärger, wenn es eng wird, zum Beispiel in Sacklöchern, bei automatisierten Abläufen oder in der Serienfertigung.
In sensiblen Produktionsumgebungen kommt noch ein zusätzlicher Punkt dazu. Späne haben dort schlicht nichts verloren, etwa in der Fertigung von elektronischen Bauteilen oder in Anlagen, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen. Jede Verunreinigung kann hier ein echtes Risiko darstellen.
Es gibt ein Verfahren, das viele dieser Schwierigkeiten von vornherein vermeidet: Gewindeformen. Diese Werkzeuge werden auch Gewindefurcher genannt. Komplett spanlos, mit hoher Prozessstabilität und einem stabilen Gewinde als Ergebnis. Im Video weiter unten siehst du, wie das Verfahren an der Maschine aussieht und worauf es ankommt.
Was ist Gewindeformen?
Beim Gewindeformen entsteht das Innengewinde nicht durch Abtrag, sondern durch Verdrängen des Materials. Das Verfahren basiert auf Kaltumformung. Der Werkstoff fließt in das Gewindeprofil, es wird nichts geschnitten und das Material bleibt im Bauteil.
Das ist der größte Unterschied zum klassischen Gewindeschneiden.
Schneidende Werkzeuge entfernen Material und erzeugen Späne. Formende Werkzeuge verdichten und verformen das Material.
Typische Einsatzbereiche sind verformbare Werkstoffe wie viele Stähle, Aluminium-Legierungen, Messing oder Kupferwerkstoffe. In diesen Materialien spielt der Gewindeformer seine Vorteile konsequent aus.
Werkzeuggeometrie: So unterscheidet sich der Gewindeformer vom Gewindebohrer
Ein Gewindebohrer besitzt Schneidkanten und Spannuten, die die entstehenden Späne abführen.
Ein Gewindeformer dagegen hat keine Spannuten. Stattdessen ist er leicht polygonal geformt und drückt das Gewindeprofil in das Material.
Diese Geometrie macht das Werkzeug massiver und unempfindlicher gegenüber Bruchlasten. Die Kanten werden nicht durch schnittbedingten Verschleiß abgetragen, was sich später in der Standzeit bemerkbar macht.
Im eingebundenen Video zeigen wir genau diese Unterschiede mit zwei Bauteilaufnahmen – einmal Gewindebohrer, einmal Gewindeformer.
Kernlochdurchmesser beim Gewindeformen - Warum der Kernlochdurchmesser größer sein muss
Beim Gewindeformen fließt das Material in das Profil hinein. Dadurch muss das Kernloch größer sein als beim Schneiden. Ein zu kleiner Durchmesser führt zu Überformung, hohem Drehmoment und im schlimmsten Fall zu Werkzeugbruch oder einem maßlich instabilen Gewinde.
Ein Beispiel aus dem Video:
M8 Gewindeformen: 7,45 mm
M8 Gewindeschneiden: 6,8 mm
Der Unterschied wirkt gering, ist aber entscheidend für das Ergebnis. Wer mit zu kleinen Kernlöchern arbeitet, produziert Probleme, lange bevor das Gewinde überhaupt fertig ist.
Werkstoff und Gefügeverlauf: Warum das Gewinde stabiler wird
Beim Schneiden wird der Gefügeverlauf durchtrennt. Die Mikrostruktur im Material verliert ihre Kontinuität, und die Schnittkanten erzeugen Kerben, die sich später auf die Tragfähigkeit auswirken können.
Beim Gewindeformen passiert das Gegenteil. Das Gefüge wird deformiert, nicht getrennt. Es entsteht ein verdichteter, kontinuierlicher Gefügeverlauf, der das Gewinde stabiler macht und die Kerbempfindlichkeit reduziert.
Vorteile und Nachteile des Gewindeformens
Vorteile
Keine Späne
Ohne Span entsteht kein Risiko durch Spänestau, keine Kraterbildung in Sacklöchern und kein zusätzlicher Aufwand für Spanabfuhr. Das Bauteil bleibt sauber, was besonders in automatisierten Anlagen und Serienprozessen ein echter Vorteil ist.
In Fertigungsumgebungen, die absolute Sauberkeit verlangen – zum Beispiel bei elektronischen Baugruppen oder in lebensmittelnahen Prozessen – kann schon ein einzelner Span zu Ausschuss führen. Spanlos zu arbeiten verhindert genau das.
Längere Standzeiten und höhere Gewindefestigkeit
Der Werkstoff wird kaltverfestigt und nicht zerspant. Das sorgt für robuste Gewinde und lange Werkzeugstandzeiten, weil keine Schneidkanten verschleißen.
Prozessstabilität und gute Automatisierbarkeit
Gewindeformen liefert reproduzierbare Ergebnisse und läuft in modernen CNC-Umgebungen sehr zuverlässig. Für Serienfertigung ist das ein klarer Vorteil.
Bessere Oberflächenqualität im Gewinde
Die Oberfläche des geformten Gewindes ist glatter und dichter, weil keine Schneidkerben entstehen. Dadurch verbessert sich die Tragfähigkeit, und Schrauben laufen leichter an.
Nachteile / Einschränkungen
Höhere Drehmomente erforderlich
Gewindeformen verlangt rund 40–50 % mehr Drehmoment als das Schneiden. Die Maschine muss diese Leistungsreserve haben, sonst ist das Verfahren nicht stabil einsetzbar.
Materialabhängigkeit: Kaltumformbarkeit zwingend erforderlich
Nur duktile, umformbare Werkstoffe eignen sich dafür. Sehr harte oder spröde Werkstoffe führen zu Rissen, Maßproblemen oder Werkzeugschäden.
Strengere Anforderungen an Bohrung, Schmierung und Parameter
Kernlochdurchmesser, Schmierstoff und Prozessparameter müssen exakt passen. Bei falschem Kernloch oder fehlender Schmierung drohen Werkzeugbruch und fehlerhafte Gewinde.
Wann lohnt sich Gewindeformen?
Sinnvoll, wenn:
der Werkstoff gut umformbar ist
die Maschine ausreichend Drehmoment bietet
der Prozess automatisiert oder besonders sauber laufen muss
hohe Gewindefestigkeit oder glatte Gewindeoberflächen gefordert sind
Späne problematisch wären (Sacklöcher, Reinräume, Elektronik, Lebensmittel)
Weniger geeignet, wenn:
Werkstoff zu hart oder spröde
zu wenig Drehmoment verfügbar
enge Bohrtoleranzen nicht zuverlässig einzuhalten sind
Gewindeformer von VÖLKEL in der Praxis
VÖLKEL bietet formende Werkzeuge an, die auf zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse ausgelegt sind und sich problemlos in bestehende Fertigungsprozesse integrieren lassen.
Auf Wunsch gibt es die Former auch mit Schmiernut. Diese Nut verbessert die Schmierstoffverteilung im Eingriff, reduziert Reibung und unterstützt damit sowohl die Maßhaltigkeit als auch die Standzeit – besonders in anspruchsvolleren Werkstoffen.
Zusätzlich bietet VÖLKEL die Former auch mit Übermaß an. Diese Variante ist sinnvoll, wenn Bauteile später eine galvanische Schutzschicht erhalten. Die Schicht trägt auf und verengt das Gewinde. Ein Former mit Übermaß gleicht das aus und sorgt dafür, dass das Gewinde nach der Beschichtung maßhaltig bleibt.
Für noch bessere Leistung bieten wir die Former außerdem mit verschiedenen Oberflächenbehandlungen und Beschichtungen an. Diese reduzieren Reibwerte, verbessern das Laufverhalten und stabilisieren den Prozess unter höheren Belastungen.
Online und in unserem Katalog finden sich alle relevanten Tabellen zu Kernlochdurchmessern, Anwendungsparametern und verfügbaren Varianten.
Fazit
Gewindeformen hat sich in der Praxis längst als zuverlässiges Verfahren durchgesetzt, besonders dort, wo Späne stören oder eine hohe Prozessstabilität gefordert ist. Ohne Span, mit stabilen Gewinden und sehr guten Standzeiten ist es für viele Anwendungen die bessere Wahl.